Los Zapateros

Valle Gran Rey. Auf der Strasse von La Calera hinunter nach La Playa passiert man rechterhand ein unscheinbares Haus, in dem eine Schuhmacherei untergebracht ist. Hier arbeiten Domingo und Oscar. Über dem Gehweg ist ein entsprechendes Schild angebracht, das man leicht übersehen kann.
Inzwischen ist das solide Handwerk der beiden Herren weit über die Grenzen La Gomeras bekannt. Als ich eintrete, ist Domingo gerade damit beschäftigt, drei Pakete für den Versand vorzubereiten. Die Adressen der Kunden wurden fein säuberlich auf deren Fussabdrücken festgehalten. Diese Schnittmuster sind notwendig, da jedes Paar Schuhe massgeschneidert wird.
Ein Paar moosgrüne Herrenschuhe erhalten noch den letzten Schliff und werden bald ihre Reise nach Deutschland antreten. Manche Schuhe reisen sogar bis ans andere Ende dieser Welt, nach Australien.
In der winzigen Werkstatt, die zugleich auch als Verkaufsraum dient, riecht es angenehm nach Leder, Klebstoff und allerlei alten Geräten, an denen der jahrelange Gebrauch nicht ganz spurlos vorbeigegangen ist.
Über die wenigen Möbel hat sich eine feine Patina gelegt, die das Ganze gemütlich und einladend macht. Der enge Laden ist vollgepackt mit Schuhen, Lederwaren und Arbeitsutensilien. Trotzdem ist es auffallend ordentlich.
Domingo und Oscar wirken auf mich als ein gut eingespieltes Team. Konzentriert und zugleich gelassen machen sie einen Arbeitsschritt nach dem anderen, bedienen nebenbei Kunden, lassen sich fotografieren und erzählen mir aus ihrem Arbeitsleben. Im Hintergrund läuft dezente Jazz-Musik. Domingo spricht ziemlich gut Englisch, sodass ich das Interview in erster Linie mit ihm führe.
Während meines kurzen Besuches kommen erstaunlich viele Passanten herein. Die einen probieren Schuhe an, andere kaufen etwas und einer überreicht Domingo eine Geldbörse, die er vor Jahren hier gekauft hatte. Eine Naht muss geflickt werden. Man sieht es dem Kunden an, wie sehr er an dieser Börse hängt und dass er sie noch einige Jahre länger in seiner Hosentasche herumtragen möchte. Ein Blick auf die Lederwaren im Laden bestätigt, dass hier Qualität hoch geschrieben wird.
Während ich mit Domingo plaudre, schneidet Oscar die Lederteile für ein neues Paar Schuhe zurecht, stanzt Löcher in das Leder und klebt Teile zusammen. Oscar wurde in Venezuela geboren. Als kleiner Junge ist er mit seinen Eltern, die ursprünglich aus La Gomera stammen, hierher zurück gekehrt.
Domingo ist in Valle Gran Rey geboren und aufgewachsen. Er hat auf Teneriffa, Gran Canaria und in Barcelona Elektrotechnik studiert. Auf diesem Beruf hat er jedoch nie gearbeitet. Der Gedanke, als Angestellter in einem Betrieb zu arbeiten, kam ihm sonderbar vor. Er liebäugelte stattdessen mit den Vorteilen einer selbständigen Tätigkeit. Sein Grossvater war Schreiner und einige Onkel waren ebenfalls kunsthandwerklich tätig. Als ihm ein Freund, der ebenfalls Schuhmacher war, eines Tages ein Paar Sandalen anfertigte, erwachte Domingos Interesse für dieses vielfältige Material. Obwohl er bis dahin noch nie mit Leder gearbeitet hatte, wollte er es nun lernen.
Heute – 33 Jahre später – ist er ein versierter Schuhmacher, der sich das Handwerk learning by doing beigebracht hat. Von seinem Freund und anderen Schuhmachern in verschiedenen Teilen Spaniens wurden ihm spezielle Feinheiten und Geheimnisse im Umgang mit Leder anvertraut. Im Unterschied zur Elektrotechnik gefällt Domingo, dass er mit einem natürlichen Werkstoff arbeiten kann und dazu noch sein eigener Chef ist. Je nachdem wonach ihm gerade ist, stellt er ein Paar Schuhe her oder eine Tasche. Auf diese Freiheit möchte er nicht verzichten.
Domingo und Oscar sind die einzigen, die auf La Gomera Schuhe in Handarbeit herstellen. Sie arbeiten an fünf Tagen die Woche jeweils acht Stunden. Obwohl sie sich keine goldene Nase mit dieser Arbeit verdienen, sind sie zufrieden. Man muss viel arbeiten in diesem Business und es liegt an ihnen, wie hoch ihr Verdienst ist. Je mehr sie arbeiten, umso mehr klingelt es Ende Monat in der Kasse. Damit keine Prozente an Zwischenhändler verloren gehen, verkaufen sie ihre Waren nur in ihrem Geschäft.
Domingo hat neben seiner geliebten Tätigkeit auch noch andere Dinge, die ihm Freude bereiten und von denen er träumt. In den Bergen, in Las Hayas, besitzt er einen Weinberg wo er eigenen Wein keltert. Ausserdem möchte er eines Tages ein Segelboot erstehen. Er liebt das Meer und fischt gerne. Doch noch fehlt ihm die Zeit dafür. Vielleicht erfüllt er sich diesen Wunsch, wenn er sich aus dem Arbeitsleben verabschieden wird.
*** ende ***
Ich danke Domingo und Oscar für ihre Offenheit, mir und meinen Lesern Einblick in ihr Arbeitsleben zu geben. Gerne empfehle ich allen Reisenden, diesem netten Laden in Valle Gran Rey einen Besuch abzustatten. Hier ist ihre Adresse:
Artesania Zapatita
Avenida La Calera n.12
Valle Gran Rey
La Gomera
© Text und Fotos: Barbara Sorino
Da werde ich bestimmt reinschauen und -wer weiß- in neuen Schuhen wieder herausgehen!? Handarbeit, yeah! ❤
Gute Idee, liebe Nina! Und … hast du reingeschaut und bist mit neuen Schuhen herausgegangen? LG aus der Schweiz, Barbara
Wie kann ich diese schuhe bestellen
Liebe Brigit, meine Antwort kommt reichlich spät. Bitte entschuldige! Ich habe Domingo leider nicht nach seiner Telefonnummer gefragt und er hat auch, soviel ich weiss, keine Webseite. Am Ende meines Blogbeitrags findest du deren Adresse. Vielleicht schreibst du Domingo und fragst ihn. Oder am besten Ferien machen auf La Gomera und persönlich vorbeigehen 🙂 Herzliche Grüsse, Barbara
Ich habe dort anno 1999 ein Paar Schuhe machen lassen. Anfang 2019 waren sie dann leider endgültig reif für die Tonne, aber 20 Jahre lang habe ich sie gern und regelmäßig getragen. Sie fehlen mir sehr.
Ich habe 17 Mal Gomera besucht und nur zwei Paar Schuhe von den beiden durgelatscht….Im August hole ich das dritte Paar,ich fühle mich in den Schuhen wie ein Indianer,es ist einfach wie barfuß…….vielen Dank dafür 🎷😎🐶Martin
Hallo Frau Sorino,
wir waren letztes Jahr auf Gomera und haben 4 Paar Schuhe dort gekauft, diese sind einfach fabelhaft und toll zu tragen.
Haben Sie zufällig eine Mail oder Telefon-Nr. von dort oder eine Info wie man vorab den Kontakt herstellen kann. Wir werden nächstes Jahr im Frühjahr wieder auf Gomera sein und wollten vorab sicherstellen, dass dort auch offen ist, wenn wir Samstags extra wg. den Schuhen ins Valle Gran Rey fahren.
Im August 2020 war auch eine deutschsprachige Dame im Laden, die wohl zu einem der beiden Herren gehörte.
Wir würden uns sehr über eine Rückmeldung freuen.
Vielen Dank.
Mit freundlichem Gruß
A. und R. Wiech