Mit Lötkolben Musik machen

Felix ist Musiker und vermittelt seine Kunst Kindern und Erwachsenen. Elektronische Musik ist für ihn ein Experimentierfeld, in dem er seine Faszination für Mechatronik und synthetisch erzeugte Klänge ausleben kann.
Unsere Wege kreuzen sich im Chateau Fougerette, wo ich als Teil der Schlosscrew Renovationsarbeiten durchführe und Felix in einer Gruppe von Elektromusikern, Videokünstlern, Ingenieuren, Wissenschaftlern und anderen Interessierten eine Woche lang Knowhow austauscht – eine für mich höchst interessante und zugleich seltsame Welt. In so einem Fall ist es am besten, man kommt ins Gespräch und lässt sich diese Welt genauer erklären. Die Gruppe hat sich im Ballsaal unter den grossen barocken Bildern und Spiegeln eingenistet. Der Raum ist vollgestopft mit Werkzeug, Computern, Kabeln, Boxen und allerlei Krimskrams. Mich wundert, wie man in diesem Chaos überhaupt noch seine sieben Sachen findet. Felix nimmt sich zwischen den Workshops Zeit für ein paar neugierige Fragen…
Das Interview mit Felix:
Welche Art Musik machst du und was genau muss man sich drunter vorstellen?
Ich spiele nicht aktiv in einer Band, sondern bin als Musiklehrer angestellt in der Musikschule „Badabum“ in Zug. Dort gebe ich E-Guitarrenunterricht, erweitert mit anderen elektronischen Instrumenten, wie zum Beispiel Synthesizer. Wir bauen auch selber Instrumente und wenden diese an in der Improvisation.
„Badabum“ hat einen anderen Approach als übliche Musikschulen. Es geht mehr um den Menschen selber und wie sich unterschiedliche Menschen mit Instrumenten kreativ ausdrücken können. Es wird möglichst wenig Leistungsdruck erzeugt und man geht individuell auf die Schüler ein.
Der Grundstock meiner künstlerischen Arbeit ist ein Synthesizer. Das Spannende daran ist die Klangforschung. Das heisst, man kann Klänge selber zusammenstellen. Der Strom wird so geleitet, dass die Lautsprechermembranen sich entsprechend bewegen, damit der gewollte Klang entsteht. Ich erzeuge sozusagen mit elektronischen Bauteilen Klänge. An die Bauteile kann man beliebig viele Teile anlöten. Je mehr Bauteile es sind, desto komplexer kann der Klang werden.
Es handelt sich um kleinste elektronische Bauteile mit bestimmten Funktionen. Alle Geräte, die wir bedienen – zum Beispiel Laptop, Smartphone, Beamer, Taschenlampe – enthalten solche Bauteile. In Workshops nehmen wir solche Alltagsgegenstände auseinander, schauen sie genau an, erklären sie den Teilnehmern und bauen etwas Neues daraus. Wir machen aber auch Schmuckworkshops mit diesen Bauteilen. Oder wenn ein Gerät einen Motor enthält, kann man einen kleinen Roboter oder ein Musikinstrument daraus bauen.
nebenbei entstehen wundersame Gestalten
Wir sind mechatronische Künstler. Unter Mechatronik versteht man Elektronik, die die Mechanik antreibt und dabei von der Informatik gesteuert wird. Dieses interdisziplinäre Zusammenspiel findet man übrigens auch bei den Tinguely-Brunnen.
Was reizt dich an der elektronischen Musik?
Mich fasziniert die Welt als Gesamtes. Wir im Verein SGMK (siehe Links unten) sehen die Mechatronik als Teil der Gesamtheit des Menschen, die wie die Chemie oder Biologie dazugehört. Ausserdem finde ich spannend, dass man Einblick in eine andere Welt erhält, nämlich in kleinste, unsichtbare, elektronische Ströme.
Hattest du als kleiner Junge einen Traumjob?
Ich habe Lego gespielt und Sachen zusammengebaut. Aber ich habe auch immer schon Musik gemacht und mich für Musik interessiert. In der Oberstufe wollte ich immer Grafiker werden und habe deshalb „Kunst und Vermittlung“ an der Fachhochschule Luzern studiert. Anschliessend habe ich zwei Jahre Maschinenbau an der Fachhochschule in Horw/Luzern studiert. Heute verbinde ich beides miteinander in der Vermittlung von Kunst und Technik.
Wie sieht es in deinem Arbeitszimmer aus?
Ich arbeite in einer Riesenhalle am Bahnhof in Luzern, eine Baracke, die ich mit anderen Künstlern zusammen nutze. Im Winter ist es dort saukalt. 50 Prozent der Zeit sieht es aufgeräumt aus und die anderen 50 Prozent liegen Sachen aus den Workshops herum. Wir haben viel Werkzeug, Sägen, Lötkolben, Kabel, bis hin zu Flaschen, Kartoffel- und Computerschips. Es hat freilaufende Mäuse und manchmal liegen Knochen von Luco herum, dem Hund einer Künstlerin. Und ja, auch vergammelte Essenreste findet man bei uns.
Was ist speziell an dieser Projektwoche im Schloss Fougerette?
Die tolle Atmosphäre, ganz klar. Wir machen diese Projektwoche das erste Mal ausserhalb der Schweiz. Zudem finde ich es inspirierend, sich zu fragen, wer vorher in diesem Schloss lebte und welchen Einfluss diese Geschichte auf die Leute hat, die jetzt hier arbeiten. Zufällig ist jemand hier, der Sounddesign für Geisterbahnen kreiert. Mehrere Teilnehmer beschäftigen sich mit dem „Theremin“, eines der ersten elektronischen Musikinstrumente, welches schauerliche, stimmenartige Klänge produziert. Beides passt ja supergut hierher!
Tüfteln unter barocker Aufsicht
Kann man dich mieten?
Ja, zum Beispiel für Teambuildings, Workshops an Schulen oder Betreuung von Kunstprojekten. Ich nehme auch Aufträge für mechatronische Requisiten an. Für das Theater Luzern habe ich ein schlagendes Herz in einer Vitrine gebaut, das von der Hauptdarstellerin herausgerissen wurde und dann aufhörte zu schlagen.
Welche Frage würdest du dir selber stellen?
Diese Frage stelle ich mir grad selber!
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© Fotos und Text: Barbara Sorino
Anmerkung: Die Fotos aus den Workshops zeigen Arbeitsplätze anderer Projektteilnehmer.
Links:
Webseite der Schweizerischen Gesellschaft für mechatronische Kunst SGMK: http://www.mechatronicart.ch (unter Kontakt findet man Felix Bänteli)
Felix` Arbeitsplatz in Luzern: http://www.laborluzern.org
SRF-Bericht über Felix Bänteli: http://www.srf.ch/news/regional/sommerserie/felix-baenteli-der-tueftelnde-kuenstler
Theaterausschnitt, in dem das „schlagende Herz“ zu sehen ist: http://www.luzerner-theater.ch/news/anja-wicki-unter-den-top-10-kulturkopfen-2013
Musikschule „Badabum“ in Zug: http://www.badabum.ch