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Die Experimentierfreudige

Tinka ist mir das erste Mal bei der Informationsveranstaltung zum Projekt „wild entSCHLOSSen“ im Januar 2014 im Hive-Club in Zürich begegnet. Sie hat dort Auskunft gegeben über das Leben und Arbeiten im Schloss Fou de Fougerette. Dieses Jahr war sie wieder für längere Zeit mit von der Partie – kein Wunder, bei der Begeisterung, die in ihrer Stimme mitschwingt, wenn sie vom Schloss erzählt. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass sie hier ein Stück innere Heimat gefunden hat. Wir haben in meiner ersten Woche auf dem Schloss zusammen Fensterläden restauriert. Eine ziemlich aufwändige, zeitraubende Arbeit, bei der man aber einige handwerkliche Dinge lernen kann. Dabei sind mir ihre Lust, handwerkliches Neuland zu betreten, ihre Engelsgeduld und ihr konzentriert-ruhiges Arbeiten aufgefallen. Ehrlich gesagt, würde ich mir gerne eine kleine Scheibe davon abschneiden.

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Ausserdem war mir schnell klar, dass Tinka einen Hang zur Extravaganz hat und gerne gegen den üblichen Strom schwimmt, ohne dabei laut und schrill zu sein. Sie tut es leise und offensichtlich gehört es zu ihrer ureigensten Natur. Sie erzählte mir, dass sie im Winter als Rotkäppchen gekleidet durch Zürich gelaufen ist und dass das in diesem Moment das Normalste für sie auf der Welt war. Es war deshalb naheliegend, dass sie beim Captain`s Rave (siehe letzter Blog-Eintrag) als Meerjungfrau verkleidet stundenlang in einer engen Flosse ausharrte und die eintreffenden Gäste begrüsste. Und es passte zu ihr, dass sie bei den Aufräumarbeiten nach der Party mit Schürze und Kopftuch durch die Räume fegte. Humor ist ihr offensichtlich in die Wiege gelegt worden.

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Tinka, die Schlossfee

Tinka

… als Meerjungfrau beim Captain`s Rave

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… und als Putzfrau

Ich möchte euch Tinka näher vorstellen, weil sie ein lebendiges und zugleich noch junges Beispiel dafür ist, dass es sich ohne Zweifel lohnt, seine Herzenswünsche ernst zu nehmen. Hier sind ihre Antworten auf meine Fragen:

Welche Geschichte rankt sich um deinen Namen?
Ich leide seit meiner Geburt an einer Überdosis an Namen, die da wären „Katrin Helene Birgit Ines Müller, geborene Praxmarer“. Katrin wurde also als Rufname gebraucht. Doch als ich in die Schule kam und mich mit einem Mädchen besonders eng anfreundete, gaben sie mir den Spitznamen „Tinka“. Nach und nach nannte mich mein ganzes soziales Umfeld so. Es gibt bis heute kaum eine Person in meinem Bekanntenkreis, die meinen amtlichen Taufnamen kennen.

Wie erklärst du einer völlig unbekannten, neugierigen Person in wenigen Sätzen dein bisheriges Leben?
Da reicht sogar ein Wort: Vielfältig.

Wie würde ich dich in einer grossen Menschenmenge erkennen und finden?
Manchmal kleide ich mich ein bisschen extravagant oder trage eine ungewöhnliche Frisur – ich hatte lange Zeit einen Millimeter-Schnitt (angenehm und praktisch) oder auch mal eine pinke Haarpracht (extrem auffällig) – oder du erkennst mich am Sonnenschein im Gesicht.

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Ausflug ins keltische Museum „Bibracte“

Welche Fakten stehen in deinem Lebenslauf?
Aus meinem Lebenslauf kann man herauslesen, dass ich mich schnell langweile. Ich habe das Abitur gemacht, dann eine Ausbildung zur Eventmanagerin. Aber schon während meiner Schulzeit habe ich verschiedene Jobs gemacht – von Tanzlehrerassistentin zu Detailhandel, Kaffeetante oder Kellnerin in feineren Speiselokalen, Redaktionsassistenz, Vertrieb verschiedener Produkte oder Dienstleistungen (ja, ich bin sogar schon von Tür zu Tür gewandert). In das Eventbusiness wollte ich nie richtig einsteigen, aber nun arbeite ich für einen Zirkus im Büroballett und bin unter anderem für die Planung und Durchführung von Kundenevents verantwortlich. Nebenher bin ich in Ausbildung zur Tanztherapeutin und bin gespannt, wohin mich diese Weiterbildung mal führen wird.

Was heisst für dich persönlich, „deinem Herz zu folgen“? Und wann bist du deinem Herzen mal kompromisslos gefolgt?
Meine Intuition nehme ich sehr ernst und ich folge meinem Herzen eher als meinem Verstand. Ich halte das für eine sehr gesunde Lebensweise. Ich bin meinem Herzen schon oft kompromisslos gefolgt, hervorzuheben sei hier wohl die radikale Auflösung meines Lebens, um ein halbes Jahr das Schlossprojekt Fou de Fougerette zu unterstützen. Das war der lehrreichste und beste Entschluss meines Lebens.

Was ist dir lieb und heilig?
Mein Hang*!

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Ihr Hang (Bildmitte) gehört mit ins Gepäck

Was würdest du als erstes abschaffen, wenn du allmächtig wärest?
Ich würde Geld abschaffen. Ich habe das Gefühl, es macht die Menschheit unglücklich.

Welche Bedeutung hat das Schloss für dich?
Ein ganz grosses Stück von meinem Herzen hängt an diesem Schloss. Ich geniesse es, ein Teil der Gemeinschaft zu sein, und die unterschiedlichen Aufgaben. Ich kann hier Dinge erlernen und austesten und mich selbst so besser kennenlernen. Ausserdem treffe ich hier ständig auf interessante Personen, die ich nirgends sonst kennenlernen würde. Ich liebe die Vielfältigkeit, die Freiheit und die Möglichkeiten, die dieser Ort bietet.

Gibt es einen Menschen oder ein Wesen, das für dich Vorbildcharakter hat oder einen speziellen Einfluss auf dich ausübt?
Nein, ich möchte mich nicht nach einem Vorbild ausrichten – ich bin lieber ich selbst so wie ich sein will. Aber ich begegne immer wieder Menschen, die mich auf eine Art und Weise inspirieren.

Wenn du mal alt und weise bist, was wirst du deinen Enkeln und Urenkeln gerne aus deinem Leben erzählen?
Ich werde ihnen erzählen, dass ich viele Fehler und Dummheiten gemacht habe – aber nur durch diese persönlichen Erfahrungen habe ich mich und das Leben kennen gelernt. Ausserdem werde ich ihnen erzählen, dass ich nicht alles so ernst genommen habe. Lebe dein Leben tollkühn und frei.

Welche Frage würdest du dir selber zum Schluss stellen?
Was bedeutet „Glück“ für dich?
Glück bedeutet, dankbar zu sein für das, was ich habe.

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kurz vor Tinka`s Abreise, nach drei Monaten Schlossabenteuer

 

*** ende ***

©Text: Barbara Sorino und Tinka

©Fotos: Barbara Sorino (mit Ausnahme des Fotos „Meerjungfrau“)

Legende:

*Ein Hang ist ein ganz spezielles Musikinstrument, das von einem Berner Paar entwickelt und bis vor kurzem nur an ausgewählte Interessenten verkauft wurde. Tinka musste sich dafür bewerben – und sie hat die Erlaubnis erhalten, dieses wundervolle Instrument zu erwerben. In der Zwischenzeit hat das Paar die Produktion – gemäss Tinka – bewusst wieder eingestellt und widmet sich neuen Projekten.

Auszug aus Wikipedia:

Das Hang [haŋ] (Plural: Hanghang) ist ein Musikinstrument. Es besteht aus zwei miteinander verklebten Halbkugelsegmenten aus gasnitriertem Stahlblech.[1] Auf der oberen Halbschale befinden sich Klangfelder, die – ähnlich wie bei der Steelpan – mit Hämmern ins Blech eingearbeitet sind.

Das Hang wird waagerecht oder senkrecht auf dem Schoß gehalten. Gespielt wird es mit den Fingern und Händen, was den Namen ergab: Hang ist Berndeutsch für Hand.

Das Instrument wurde im Jahr 2000 von Felix Rohner und Sabina Schärer in Bern erfunden und von 2001 bis 2013 in verschiedenen Entwicklungsstufen ausschließlich von ihnen in ihrer Firma PANArt Hangbau AG gebaut. Im Laufe des Jahres 2013 wurde das Hang durch das Gubal abgelöst

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