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Bohnenzauber

Maya Gogg hat ihr Herz an edle Kaffeebohnen verloren. Als gelernte Konditorin-Confiseurin hat sie Erfahrung mit Lebensmitteln, doch das Rösten von Kaffee verlangt besonders viel Gespür: „Kaffee ist ein Genussmittel“, betont sie, „das trinkt man nicht einfach wie Wasser“. Gemeinsam mit ihrem Mann Marcel Gogg, ebenfalls Bäcker-Konditor, widmet sie sich diesem Metier mit unerschütterlichem Tatendrang, vom Einkauf, übers Rösten bis hin zum Verkauf und dem persönlichen Kontakt zu den Kunden. Beide streben danach, das Beste aus den hochwertigen Bohnen herauszuholen. Die Kunden sollen ihre Leidenschaft für guten Kaffee auch zu Hause spüren und mit jedem Schluck geniessen.

Maya und Marcel haben schon immer gerne Kaffee getrunken. Auf ihren Reisen in die Lombardei kamen sie automatisch näher in Kontakt mit der Kaffeeszene. Als die Kinder älter wurden, besuchte Maya Barista-Schulungen. Anfangs erntete sie schiefe Blicke, weil niemand zu Hause sich darunter etwas vorstellen konnte.

Als sich Maya mit einer Frau aus dem Allgäu anfreundete, die den Sohn einer Kaffeerösterfamilie am Gardasee geheiratet hatte, wurde ihr bewusst, wie viel mehr in einer Kaffeebohne steckt. Der ganze Prozess vom Rösten bis zur perfekten Kaffeezubereitung faszinierte sie. Doch bis zur Eröffnung ihrer eigenen Kaffeerösterei an der Wülflingerstrasse in Winterthur im November 2012 musste sie zuerst den „Trödlimensch“ in sich und weitere Hürden überwinden. Maya sitzt nämlich lieber im sicheren Nest. Eines Tages aber lockte ihr Mann sie mit einem Satz aus der Komfortzone: „Wenn du es nicht probierst, wirst du niemals wissen wie es gewesen wäre.“ Das brachte Mayas Gedanken in Bewegung.

Wenig später stiessen sie im Internet auf die Firma Giesen an der deutsch-holländischen Grenze, die Kaffeeröstmaschinen produziert. An einem stürmischen Februarmorgen flogen sie nach Düsseldorf, um diese Geräte zu begutachten. Danach war klar, dass sie eine Röstmaschine kaufen würden, ohne jedoch zu wissen, wo sie dieses 400 kg schwere Gerät hinstellen könnten. Ihr Plan, eine eigene kleine Kaffeerösterei zu eröffnen, stiess auf grosse Skepsis: „Du bist aber mutig“, hiess es von verschiedenen Seiten, oder „das kannst du vergessen, in Zeiten in denen alle Kapselkaffee trinken!“

Der Sicherheit willen behielt Marcel den Job als Produktionsleiter in einer Grossbäckerei und Maya suchte nach einem passenden Ort für ihr Projekt. Die Lösung lag eigentlich ganz nahe. Es dauerte aber noch eine Weile, bis es Klick machte. Mayas Vater, der eine kleine Eisenwarenhandlung im Elternhaus an der Wülflingerstrasse führte, verkaufte auch Dampfmaschinen – sein geliebtes Hobby. Die aufkommenden Grossbaumärkte machten ihm jedoch zunehmend das Leben schwer. Er kümmerte sich um gute Anschlusslösungen für seine Angestellten und gab seinen Laden auf. Die Dampfmaschinen aber blieben. Eines Tages sagte er zu seiner Tochter: „Dein Kaffeeröster sieht doch aus wie eine Dampfmaschine! Das ist es! Komm zu mir, ich richte dir eine Ecke ein und jeder von uns bekommt ein eigenes Schaufenster.“

So kam es, dass ihr Vater sich um die Bauleitung kümmerte und Maya sich nach Kaffeelieferanten und Verpackungsfirmen umschaute. Das war schwieriger als gedacht. Von der Baueingabe, dem Kamin, den Brandschutzbestimmungen bis hin zum Stadtbild gab es viel Diskussionsstoff und am Ende kostspielige Umbauten. Dass das Haus der Familie gehörte, erwies sich allerdings als Vorteil.

Das nächste Problem waren die Kaffeebohnen. Denn, als kleine Kaffeerösterin konnte Maya nicht einfach in Kolumbien anrufen und Bohnen bestellen. Maya musste lange suchen und fand schliesslich einen international tätigen Kaffeehändler in Zug, der sie zu einem Gespräch einlud. Er war begeistert von ihren Plänen und Maya durfte vor Ort den Kaffee einer Kaffeeweltmeisterin degustieren. Das Problem der Kaffeebohnen war also gelöst, doch das nächste stand bereits vor der Tür. Als nämlich im Mai 2012 die Röstmaschine geliefert wurde, stellte sich das Amt für Gas und Wasser quer. Dieses verlangte, dass das EU-zertifizierte Gerät auch in der Schweiz zertifiziert wird. Maya hatte bereits Kunden, die auf ihren Kaffee warteten. Wieder suchte sie nach einer Lösung und landete in einer Rösterei in Schaffhausen, wo sie zur Überbrückung ihre Bohnen rösten konnte.

  

Den gerösteten Kaffee wollte Maya in eigenen Säcken verpacken. Auch da blitzte sie mehrfach ab, weil niemand bereit war unter einer Stückzahl von 20.000 zu produzieren. Dann die Erleichterung: In Nürnberg stiess sie auf einen kleinen Händler, der für eine Kooperation bereit war. Kurz darauf stieg dieser auf die ökologische Produktion von Kaffeesäcken auf Papierbasis um, was ihm einen grossen Wachstumsschub bescherte.

 

Heute – gut fünf Jahre nach der Eröffnung – können sich Maya und Marcel SCAE Barista und Röstmeister/in nennen. Sie fühlen sich sehr wohl in ihrer Selbständigkeit. Maya ist Geschäftsführerin und auch Marcel widmet sich inzwischen hauptamtlich der Kaffeerösterei und hausinternen Kaffee-Akademie. Er hat seinen Job aufgegeben, was er als „besten Entscheid seines Lebens“ beschreibt. Mit seiner ausgezeichneten Sensorik und seinem Ideenreichtum konzentriert er sich auf die Entwicklung neuer Kaffeemischungen, das Rösten der Bohnen und die Gestaltung der Etiketten. Anders als früher hat er nun Zeit, nachmittags auf sein geliebtes Fahrrad zu steigen – manchmal sogar gemeinsam mit ihrem Verpackungsproduzenten aus Nürnberg, der zu einem guten Freund der Familie geworden ist.

Die Dampfmaschinen und Kaffeesäcke stehen noch immer nebeneinander im Laden und bilden eine eigentümliche Einheit. Mayas Vater ist ein halbes Jahr nach der Eröffnung gestorben. Sie haben die kurze gemeinsame Zeit im Laden genossen und sich von einer ganz neuen Seite kennen und schätzen gelernt. Heute kümmert sich Mayas Bruder einmal pro Woche um die Dampfmaschinen.

Die Kaffeerösterei ist kein Spaziergang, sondern erfordert viel Einsatz. Maya und Marcel haben sich das Motto „respect of the coffee bean“ und „good coffee for good people“ auf die Fahnen geschrieben und verkaufen ausschliesslich Frischkaffee. Die Charge und das Lager sind entsprechend klein. Sie müssen ständig am Ball bleiben, neue harmonische Mischungen kreieren und Kundenbedürfnisse wahrnehmen. „Nur lieb und nett sein, reicht nicht“, ist Maya überzeugt. Aber auch das gehört zu ihrem Alltag im Laden. Sie lässt sich Zeit für Gespräche, offeriert jedem Kunden einen Kaffee und strahlt dabei Ruhe und ehrliches Interesse aus. Die Kursabende liegen beiden ebenfalls sehr am Herzen. Dort lernen die Teilnehmenden, wie man mit der eigenen Kaffeemaschine das Beste aus Kaffeebohnen hervorzaubert. Herzblut und Freude sind auch da, nebst edlen Kaffeebohnen, äusserst wichtige Zutaten.

Webseite von Maya und Marcel Gogg: www.lamica.ch

Link zur Firma «Giesen»: http://de-de.giesencoffeeroasters.eu/

*** Ende ***

Text und Fotos: Barbara Sorino

Ein herzliches Dankeschön an Maya für das Interview am 23.2.2018. Wenn Kundschaft kam, nahm sie sich trotzdem Zeit für angeregte Gespräche mit ihnen. So wurde mir klar, dass exzellenter Kaffee nicht nur von der Qualität der Bohnen abhängt, sondern auch vom Charisma der Verkäuferin. Es ist eine wahre Freude, im „L’amica“ frisch gemahlenen Kaffee zu kaufen und die neueste Kaffeemischung auszuprobieren!

  1. Vielen Dank für diese Geschichte – gefüllt mit Mut und Tatendrang. Herrlich!

    13. März 2018
  2. Ute Kehr #

    Ja, so sind sie, wunderbar aus deren Leben erzählt…
    Manni und Ute Kehr
    17. Juli 2019

    17. Juli 2019

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